Modernes Sexspielzeug für Frauen: Design statt Schmuddelfaktor
Der erste Vibrator wog 18 Kilo, seitdem hat sich einiges verändert.
Jahrzehntelang war es ruhig auf dem Markt. Ob man überhaupt noch etwas Neues erfinden könne, wollte der KURIER 1999 von Beate Uhse wissen: „Seit zwanzig Jahren gibt es nur ein wirklich neues Teil – den Vibrator“, antwortete die damals 80-Jährige, „Kunstpenisse gibt es seit Millionen Jahren, aber einer, der vibriert – das war neu.“
1883 hatte der britische Arzt Joseph M. Granville seinen elektromechanischen Vibrator zum Patent angemeldet – ein sperriges Teil, 18 Kilo schwer, betrieben mit einer Nassbatterie. Mit der Zeit wurden die lustbereitenden Geräte handlicher, moderner, im Grunde aber waren sie alle gleich aufgebaut: ein elektrischer Motor, der Schwingungen erzeugt und auf die Klitoris gelegt wird.
Während der stationäre Erotikhandel strauchelt – Beate Uhse meldete Konkurs an, in Deutschland hat sich die Anzahl der Shops halbiert –, erleben schicke Onlineportale wie Amorelie einen Höhenflug. Den Erfolg des Womanizer deuteten viele gar als Akt der Emanzipation: Lange wurde der weibliche Orgasmus vernachlässigt, laut einer Studie der Charité kommt nur ein Viertel der Frauen beim Sex ohne zusätzliche Klitoris-Stimulation zum Höhepunkt. Der Anblick der eigenen Vulva verursacht oft Scham. Durch den niederschwelligen Zugang im Internet trauen sich Frauen mehr, beobachtet die Sexualtherapeutin Bettina Brückelmayer.
„Viele Frauen erleben durch Sextoys ihren ersten Orgasmus. Der Weg dorthin ist bei vielen Frauen komplizierter als beim Mann. Diese Erfahrung gibt Selbstvertrauen, ein Leidensdruck fällt ab.“ Die Ästhetik der neuen Bestseller entspreche den Wünschen der Konsumentinnen: „Frauen wollen meist keine pervertierte Form, sondern ein unauffälliges Toy, das per se nicht als solches erkannt wird“, sagt Brückelmayer.