Welt der Frauen: „Der Sex meines Lebens – Es gibt keine Norm“

Bet­tina Brückel­mayer arbeitet als Psycho- und Sexu­al­the­ra­peutin in Wien. In ihre Praxis kommen Men­schen unter anderem, weil sie lustlos sind, tran­si­dent, Funk­ti­ons­stö­rungen haben, hyper­se­xuell oder süchtig nach Por­no­grafie sind. Aber auch Paare, die in keine gemein­same erfül­lende Sexua­lität finden, suchen die The­ra­peutin auf. Gemeinsam mit den Kli­en­tInnen ver­sucht sie, her­aus­zu­finden, was die Pro­bleme verursacht.

„Ich muss her­aus­finden, was ich will, und es dem Partner mitteilen.“

Es gibt bei der Sexua­lität keine all­ge­meinen Regeln. Es wäre gut, die eigene Sexua­lität zu akzep­tieren und sich nicht mit anderen zu ver­glei­chen. Ich muss her­aus­finden, was ich will, und es dem Partner mitteilen.

Sie arbeiten viel mit Paaren. Mit welchen Problemen kommen diese zu Ihnen?

Oft geht es darum, dass die Part­ne­rInnen unter­schied­liche sexu­elle Bedürf­nisse haben. Eine Frage, die mir oft gestellt wird, ist: Wie viel Sex ist in einer Part­ner­schaft normal? Ich sage dann immer, dass es keine Norm gibt. Jeder Mensch hat unter­schied­liche Bedürf­nisse, Sexua­lität ist indi­vi­duell. Es geht um Qua­lität, nicht um Quan­tität. Sex sollte Nähe und Ver­bun­den­heit her­stellen, dafür müssen wir uns Zeit für­ein­ander nehmen. Viele Men­schen haben Sta­tis­tiken im Kopf, die sie gelesen haben, und messen die Qua­lität ihrer Bezie­hung daran, wie oft sie Sex mit­ein­ander haben. Das erzeugt Druck und Stress. Es ist normal, dass der Sex in einer Part­ner­schaft über die Jahre weniger wird.

Warum ist das so?

Am Anfang einer Part­ner­schaft ist in unserem Körper ein Hor­mon­cock­tail aus Endor­phinen, Dopamin, Sero­tonin, Oxy­tocin und Adre­nalin am Werk. Wir sind ver­liebt, wie im Rausch, möchten ständig Sex mit unserem Partner haben. Diese Hor­mone lassen im Laufe einer Bezie­hung nach. Dann beginnt die eigent­liche Liebe. Viele Paare wissen das aber nicht und denken dann, dass etwas in ihrer Bezie­hung nicht stimmt.

Wie gehen Sie hier vor?

Ich frage die Paare, wie ihr letzter Sex war, welche Gefühle und Gedanken sie dabei hatten. Oft schaffen es Men­schen nicht, in ihr Gefühl zu kommen, son­dern sind in ihrem Gedan­ken­ka­rus­sell gefangen. Vor allem Frauen denken viel nach, auch dar­über, wie sie wirken, ob ihre Brüste gut aus­sehen oder ihre Cel­lu­lite gut ver­steckt ist. Es gibt Paar­übungen, um ins Gefühl zu kommen. Auch über Kör­per­sprache lässt sich viel ableiten, also, wie der Körper auf welche Berüh­rung reagiert. Oft schaue ich auch in die Bio­grafie meiner Kli­en­tInnen: Wie war die sexu­elle Ent­wick­lung, gibt es Ereig­nisse, die sie geprägt haben, was hat man ihnen vor­ge­lebt? Meis­tens ist es ja so, dass ein Partner mehr Lust hat als der andere. Dieser übt dann Druck aus, der andere zieht sich zurück. Beide sind ver­letzt und haben noch weniger Sex. Ein Teu­fels­kreis entsteht.

Wie schaffen es Paare, diesen Teufelskreis zu durchbrechen?

Die Pro­bleme haben bei jedem Paar unter­schied­liche Aus­löser. Viel­leicht hat der lust­lose Partner seine Lust noch nie ent­deckt. Auch dafür gibt es Übungen. Gut wäre es, einen gemein­samen Nenner zu finden und neu­gierig zu bleiben. Hier braucht es eine gute Kom­mu­ni­ka­tion. Durch bewusstes Zeit­nehmen und das Ein­gehen auf sexu­elle Bedürf­nisse von beiden Seiten können Paare es schaffen, wieder guten Sex zu haben. Umge­kehrt muss der Partner, der Druck ausübt, auch lernen, ein Nein zu akzep­tieren, und der lust­lose Partner muss auch aus seiner Lust­lo­sig­keit aus­steigen wollen. Männer neigen dazu, Sex als Ventil zu benutzen, um sich abzu­re­agieren. Sie könnten sich ein anderes Ventil suchen. Frauen wie­derum müssen Stress aus­schalten, um Sex haben zu können.

Was kann ich selbst tun?

Es gibt bei der Sexua­lität keine all­ge­meinen Regeln. Es wäre gut, die eigene Sexua­lität zu akzep­tieren und sich nicht mit anderen zu ver­glei­chen. Ich muss her­aus­finden, was ich will, und es dem Partner mitteilen.

PDF zum gesamten Bei­trag: https://​psy​cho​the​rapie​-brue​ckel​mayer​.net/​w​p​-​c​o​n​t​e​n​t​/​u​p​l​o​a​d​s​/​2​0​2​3​/​0​9​/​T​K​_​S​e​x​u​a​l​i​t​a​e​t​_​0​9​2​3​_​5​7​9​6​4​3.pdf
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